Schlechte Laune C30

Homöopathie ist großartig. Echt! Man verdünnt ein bisschen Kräutersud bis weit jenseits der Nachweisgrenze, und schon hat man ein potentes Medikament. Je weniger Wirkstoff, desto stärker die Medizin, und man kann auf diese Art prinzipiell gegen jedes Leiden ein Mittel brauen.

Das allein ist schon klasse. Aber die Homöopathie bleibt nicht im Gestern stehen, sie geht mit der Zeit und findet auch Lösungen für Probleme, die zu Hahnemanns Zeiten noch gar nicht abzusehen waren, beispielsweise Elektrosmog. Die Süddeutsche schreibt über das Geschäft mit der Angst vor Elektrosmog. Da wird ein homöopathisches Mittel gegen Elektrosmog erwähnt.

Zur Herstellung beschießt man Wasser mit für Elektrosmog typischen elektromagnetischen Strahlen. Dann wird es à la Hahnemann potenziert, d.h. verdünnt, geschüttelt, wieder verdünnt, wieder geschüttelt usw. Anschließend wird das so gewonnene verdünnte Wasser auf Zuckerkügelchen getropft und verkauft. Das soll dann vor den Folgen von Elektrosmog schützen.

Die Idee finde ich genial. Ich ärgere mich richtiggehend, dass sie nicht mir gekommen ist. Dafür spinne ich sie einfach mal weiter: Warum macht man sowas nicht auch gegen Radioaktivität? Man verstrahlt einfach ein Fläschchen Wasser, potenziert es und behandelt oder verhindert damit Strahlungsschäden. Die Leute, die in Fukushima aufräumen müssen, hätten sowas bestimmt sehr gern.

Aus Sicherheitsgründen müsste man natürlich die als besonders wirksam angepriesenen Hochpotenzen nehmen, damit nicht versehentlich doch ein strahlendes Teilchen übrigbleibt und das Mittel nicht verkauft werden darf. Andererseits, da wäre die Wirksamkeit (oder deren Mangel) zu einfach nachweisbar. Davon sollte man vielleicht vorerst lieber die Finger lassen.

Aber zurück zum – hüstel – Machbaren. Wenn man schon Elektrosmog in Zuckerkügelchen einfangen kann, warum dann nicht auch Stimmungen? Man müsste einfach ein Glas Wasser mit schlechter Laune „aufladen“ (dass Wasser ein langes und präzises Gedächtnis hat, weiß ja außer den ewiggestrigen Wissenschaftlern eigentlich jeder!), potenzieren, verzuckerkugeln und hätte ein todsicheres, nebenwirkungsfreies Mittel gegen schlechte Laune. Man könnte sogar nach Ursache differenzieren. Es gäbe dann eigene Präparate gegen schlechte Laune, die durch Zahnschmerzen verursacht wurde, durch Stau, schlechtes Wetter, laute Musik beim Nachbarn, Pfefferminztee, Dummschwätzer im Radio usw.

Außer schlechter Laune könnte man so auch Neid, Streitlust, Angst, Hass, Besserwisserei und Faulheit behandeln. Vielleicht sogar Dämlichkeit. Für die zeitgeistig-kulturpessimistische Klientel könnte man sicher auch etwas gegen gute Laune, Optimismus, Zufriedenheit usw. anbieten. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

Mir würde das gefallen. Wenn mir wieder was allzu Esoterisches über den Weg läuft, könnte ich einfach ein paar Globuli Schlechte Laune C30 einwerfen, und alles wäre gut.

P.S.: Bisher werden Homöopathika in Deutschland grundsätzlich unter lateinischem Namen verkauft (das macht was her und klingt gelehrt, außerdem merkt der unbedarfte Kunde nicht, was da drin ist, es gibt da ja nicht nur Blümelein, sondern auch recht unappetitliche Zutaten, am ekligeren Ende des Spektrums etwa in Alkohol ersäufte Honigbiene, Eiter, Hundekot). Meine Globuli hier kämen in der Apotheke wohl als Stomachus C30 über den Tisch.

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

10 Kommentare zu „Schlechte Laune C30“

  1. Gibt es schon (oder fast genauso), das nennt sich dann Bachblüten.
    Jener Bach ist auch der einzige, der sich überlegt hat: wenn er einen Topf Alkohol und einen Topf Botanik nebeneinanderstellt, dann … verdunstet die Botanik und schlägt sich im Alkohol nieder. Das kombiniert mit der x-fach widerlegten Signaturenlehre, gesucht 38 Pflanzen die so ausgucken als hätten sie bestimmte schlechte Charaktereigenschaften (gegen die sie dann helfen sollen) … et voila. Bachblüten!
    *beißt in die Tischkante*

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  2. Ja, der Bach hat Hahnemanns Idee genommen und ist damit geflogen. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis den Leuten die Hahnemannsche Homöopathie auf die Nerven geht und sie dann Bach oder Schüßler entdecken. Es bleibt spannend…

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  3. Ein kleiner Schluck Meerwasser würde schon wirksam gegen Radioaktivität helfen – die homöopathische Verdünnung hat ja bereits statt gefunden…

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  4. Ah, die Naturheilkundefraktion 😉

    Die Verdünnung egal welcher Substanz im Meerwasser mag stimmen, aber das ist ja nicht ordnungsgemäß geschüttelt oder gegen ein ledergebundenes Buch geschlagen worden , das kann also gar nicht homöopathisch funktionieren!

    Andererseits ist das ein faszinierender Ansatz: Meerwasser enthält wahrscheinlich so ziemlich alle Elemente und einen guten teil der Stoffe, die es gibt. Also müsste Meerwasser gegen fast alles helfen, gegen das es Homöopathisches gibt.

    Jetzt müssen wir nur noch eine hahnemannkompatible Begründung für die Pauschalverdünnung finden, oder man analysiert Meerwasser, dass man genau weiß, wieviel Belladonna, Arnika, Plutonium oder was auch immer enthalten ist und potenziert dann auf die gewünschte Stärke weiter bzw. kocht es auf die gewünschte Stärke ein.

    Und schon haben wir ganz im Vorbeigehen eine neue Homöopathieschule erfunden…

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  5. Ja – das mit dem Schütteln und dem ledergebundenen Buch hab ich ausgelassen… 😦

    Bücher und Wasser und Sand haben kein freundschaftliches Verhältnis hab ich mir sagen lassen – man kann das an den Büchern in Mauretanien sehen – da versinken ganze Wortwelten im Sand – wobei so lange es im Sand ist, können die „Informationen“ zumindest nicht unkontrolliert ins Wasser kommen..
    Man stelle sich nur vor, was passiert, wenn die Passagiere vom „Traumschiff“ irgendwelche Trivialliteratur – oder sogar solche Zeitungen die überwiegend aus Schlagzeilen bestehen versehentlich ins Wasser fallen lassen –
    und man ahnungslos und friedlich irgendwo am Strand sitzt und dann von einer Welle überrascht – unabsichtlich Meerwasser zu sich nimmt…
    Das positive Erlebnis – es geht nichts verloren auf dieser Welt… 🙂

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  6. Vielleicht schwemmt die Flut ja auch mal was Lesbares an den Strand. Das wäre doch nett, man zieht einen aufgeweichten Band Terry Pratchett aus der Brühe und kann das dann ganz unbesorgt lesen, ist ja eh schon hin 🙂

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  7. Hallo kaktus, da bin ich ja beruhigt! (Der Kommentar war im Spam gelandet, habe ihn dort erst eben entdeckt, daher die Verzögerung.)

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In den Wald hineinrufen

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