Haareschneiden

Kleinen Kindern die Haare zu schneiden ist oft ein eher unerquickliches Unterfangen. Sogar wenn sie im Prinzip guten Willens sind, schaffen sie es doch meistens nicht, so lange stillzuhalten, dass man auch nur einen Schnitt sicher anbringen kann. Gemäß Murphys Gesetz wackeln sie oft gerade dann, wenn die Schere zuklappt. Man versucht hinterher natürlich, zu retten was zu retten ist. Weil das Kind beim Nachschneiden aber auch nicht stiller sitzt als vorher, schneidet man dabei dann mehr und mehr ab. Das läuft ähnlich wie in der Geschichte, wo der Affe als Schiedsrichter die gerechte Teilung der Wurst überwacht. Das Ergebnis sind zackige und gelegentlich abenteuerlich zerklüftete Frisuren, die fast immer kürzer ausfallen als geplant. Zur Abhilfe würde ich mir eine Haareschneidemaschine wünschen. Die könnte ungefähr so aussehen:

Es gäbe einen Stuhl mit einem Ding, wo man das Kinn auflegt und vielleicht noch die Stirn gegenlehnt, ähnlich wie beim Augenarzt. Eine Kamera wird von einem Roboterarm um den Kopf geführt und fotografiert die aktuelle Frisur von allen Seiten. Dann werden die Haare statisch aufgeladen, sodass sie nach allen Seiten abstehen. Die Kamera macht eine zweite Serie von Aufnahmen. Eine spezielle Software ermittelt die Länge der einzelnen Haare (oder – wenn das zu rechenintensiv ist – von Strähnen aus einer noch festzulegenden Zahl von Einzelhaaren) und analysiert den Zusammenhang zwischen dieser Haarlänge und der aktuellen Frisur.

Dann wird am Rechner eine Wunschfrisur gebaut. Das könnte so ähnlich aussehen wie bei den Sims, wo man den Spielfiguren u.a. Frisuren basteln kann. Die Software kann natürlich auch ermitteln, welche Frisuren mit dem aktuellen Haarbestand möglich sind, oder wie lange man welche Haare wachsen lassen muss, bis die Wunschfrisur geht. Auch könnten unbegrenzt viele Übergangsfrisuren entworfen werden, damit der Kunde von der aktuellen zur gewünschten Frisur gelangt, ohne in der Zwischenzeit ungepflegt oder merkwürdig auszusehen.

Anschließend setzt man sich wieder auf den Stuhl, Kinn und Stirn an dem Ding, und die Maschine schneidet die Haare. Dazu führt ein Roboterarm das Schneidwerkzeug um den Kopf, und das schneidet nach den Vorgaben des Frisurrechners (schönes Wort, oder?). Unter Umständen könnte man auch mit mehreren Roboterarmen gleichzeitig arbeiten.

Wie geschnitten werden soll, weiß ich noch nicht. Man könnte mit fokussierten Laserstrahlen arbeiten (die Technik findet bereits in der Chirurgie als Laserskalpell und besonders in in der Augenheilkunde als Laser-Mikrotom Verwendung). Das könnte aber unangenehm nach versengten Haaren riechen, und das dürfte gerade Kinder abschrecken. Vielleicht ist es sinnvoller, mit Scheren zu arbeiten oder mit anderen mechanischen Schermechanismen nach dem Heckenscherenprinzip, wie sie auch in Haarschneide- und Bartstutzmaschinen gängig sind. Aber egal welche Schneidetechnik hier zum Einsatz kommt, die Roboterarme steuern die Schneidgeräte präzise und schneiden die gewünschte Frisur viel schneller und genauer, als ein menschlicher Friseur das jemals könnte, gerade bei so beweglichen Zielen wie kleine Kinder das nun einmal fast immer sind.

Ganz stillhalten kann natürlich niemand. Deshalb überwacht die Kamera den Schneidevorgang. Wenn die Steuerung der Roboterarme schnell genug ist, können etwaige Bewegungen des Kunden bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Bewegt der Kunde seinen Kopf zu schnell, oder bewegt er ihn zu weit aus der Idealposition heraus, wird der Schneidevorgang unterbrochen. Meine Tochter schlägt an dieser Stelle vor, man könne Kindern das Stillhalten erheblich erleichtern, indem man ihnen beim Haareschneiden einen Film vorführt. Das fänden gewisse Kinder im Hause Gnaddrig sehr gut. Hat sie eigentlich recht. Die Hardware ist ja sowieso schon da, es fehlt nur noch ein kleiner Bildschirm, und sowas kostet ja heute auch nicht mehr die Welt.

Die abgeschnittenen Haare könnten von einer dem Schneidgerät nachgeführten Saugvorrichtung direkt abgesaugt werden. Damit entfällt das Problem der Haarschnipsel, die nach dem Haareschneiden normalerweise überall landen, trotz Friseurumhang und egal wie sorgfältig man fegt oder staubsaugt.

Das Ergebnis wird spektakulär: Die perfekte Wunschfrisur in 10 Minuten. Kein Ziepen, keine Tränen, nie mehr zackige Ränder oder schiefe Ponys. Alle sind glücklich und zufrieden.

Jetzt brauche ich nur noch ein paar Millionen Euro, um das Konzept marktreif zu machen. Allerdings wird die Friseurslobby dagegen Sturm laufen und mit allen Mitteln zu verhindern suchen, dass meine Haarschneidemaschine auf den Markt kommt. (Die wollen sich bestimmt nicht alle zu Servicetechnikern für Haarschneidemaschinen umschulen lassen.) Leider wird es meine Haarschneidemaschine sowieso nicht auf den Markt schaffen. Das wird allerdings nicht an den Machenschaften der Friseursmafia liegen sondern daran, dass ich mit meinen eigenen Basteleien das hier nötige technische Niveau deutlich verfehle und außerdem wirklich keine Neigung habe, Unternehmer zu werden. Also wird die Welt die Haare weiterhin von menschlicher Hand verschnitten kriegen müssen.

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

4 Kommentare zu „Haareschneiden“

In den Wald hineinrufen

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