Hier saufen
Veröffentlicht: 14.12.2015 Abgelegt unter: Mein Senf dazu | Tags: Eckkneipe, Kneipe, Saufkultur 7 KommentareEs gibt ja nun ein breites Spektrum an Kneipen in Deutschland. Vom mutmaßlichen Urahn des Genres, der guten alten Dorfgaststätte, bis in die feinsten Verästelungen des Zeitgeistes, vom gewollt stylischen Barprodukt bis zur minimalistischen Freilufttränke mit Selbstbedienung gibt es jede Menge Möglichkeiten, sich Alkoholisches hinter die Binde zu kippen.
Eine besondere Art Kneipe ist die Eckkneipe, die es in verschiedenen Ausformungen in ganz Deutschland gibt (anderswo vermutlich auch, vielleicht heißt sie dort anders, in Österreich etwa oder in der Schweiz). Sie hat in der Regel kein ausgeklügeltes gastronomisches Konzept, die Musik kommt aus dem Radio (der lokale Volksmusiksender oder Rock’n’Roll), in der Ecke hängen ein, zwei Spielautomaten. Die Speisekarte ist kurz (Bulette auf Brötchen, Mikrowellenfertigfraß, die Ehrgeizigen haben vielleicht Schnitzel mit Pommes, ohne Salat, sowas isst da eh niemand), die Getränkekarte überschaubar (Bier, Schnaps, Cola, regional auch Wein für Cola-Rot bzw. Cola-Weiß).
Das Bier kommt in der Regel entweder von einem lokalen Brauer oder von der regionalen Standardmarke. Vermutlich haben die Brauereien so eine Art Bausatz, eine Standardausrüstung, die man als Eckkneipier kaufen kann – Zapfanlage, Gläser, Bierdeckel, Leuchtschild, so Sachen. Vielleicht bieten die Brauereien das auch als Anreiz, eben nicht bei einer anderen Brauerei zu ordern, umsonst oder wenigstens verbilligt an.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Namen der Etablissements auch mitgeliefert werden, oder ob die Wirte das jeweils selbst getextet haben. Jedenfalls gibt es unzählige Kneipen mit so fantasievollen Namen wie Pils-Stübchen, Pils-Karussell, Pils-Eck, Pils-Theke usw. Aber gut, die wollen wohl auch keinen Zeitgeist, sondern Bier. Viel billiges Bier. Und Schnaps zum Nachspülen. Eine Ersatzfamilie am Tresen und einen weisen Wirt, der einem immer mal die Welt erklärt.
Wenn ich eine Eckkneipe hätte, hätte die nichts mit Pils im Namen, die hieße ganz direkt: Hier saufen.
Rührend finde ich ja immer Kneipennamen, die ihren – was Ausreden angeht – einfallslosen Kunden das Schwindeln erleichtern sollen. Da wird Mutti dann beim Nachhausekommen erzählt, Vati habe noch bei der „Tankstelle“ vorbei gemusst. Im doppelten Sinne bedenklich (und durchschaubar)! Nett fand ich aber in der Speise- und Getränkekarte einer solchen Kneipe die Rubrik „Telefonauskünfte“:
„Den habe ich heute noch nicht Gesehen“ 2,-
„Den habe ich seit Tagen nicht gesehen.“ 5,-
„Wer? Den kenne ich nicht. War bestimmt noch nie hier.“ 10,-
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Klasse, das mit den Telefonauskünften. Das hat echt Charme (obwohl das eigentlich nicht witzig ist, wenn man sich’s überlegt).
Was es noch gibt ist, dass Kneipen inoffiziell nach dem Wirt benannt werden. Fahr mich mal zum Emil oder Hat Walli schon auf?. Da hat man als Ortsfremder keine Chance.
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Im Österreichischen (wo die Kneipe übrigens Beisl heißt, entweder nach dem gleichbed. tschechischen pajzl oder Diminutiv zum rotwelschen beys, vgl. im Schweizerischen Beiz) und der Amtsweg bekanntlich zum höheren Ziel kultiviert wurde, gibts natürlich auch eine Eckkneipe (=Eckbeisl) namens »Bieramt«. So hat der Zecher eine probate Ausrede, wenn er spät nachhause kommt: »Ich bin die ganze Zeit im Amt gewesen, nicht gelogen.«
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Bieramt ist gut, aber obwohl das tatsächlich in einem Eckhaus untergebracht ist, dürfte es kaum zu den Eckkneipen zählen. Dazu ist der Laden zu groß, zu gepflegt (jedenfalls von außen) und überhaupt. In Deutschland gibt es übrigens eine ganze Reihe Bierakademien, das sind aber auch alles keine Eckkneipen.
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Um Phillie’s Bar aus Nighthawks
ging es gerade vor ein paar Tagen erst, als die Frage aufkam was anstelle der Kaaba nach Mekka zu bauen wäre 🙂
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Hm…
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[…] Raum ohne viel Atmosphäre oder Charme (was gar nicht so dumm ist, da lenkt dann nichts vom Eigentlichen […]
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