Fahrradläden

Viel ist geschrieben, geschimpft, geklagt worden über die Mode, Friseursalons phantasievoll zu benennen. Von eher nicht so spannenden Denglischkrachern wie Hair and more oder Cut’n’Go über Dinger wie Haarmlos oder Abschnitt bis hin zu Höhenflügen wie Verdamp lang hair (danke, froutes!) ist für jeden Geschmack und jeden Grad an Abgebrühtheit etwas dabei, zusammen sicher ein ganzes Wörterbuch voll. Und die Texte über das Phänomen könnten wahrscheinlich mindestens ein weiteres Buch füllen.

(Die Gemeinde Haar bei München zappelt übrigens am Rand des Blickfeldes auf und ab. Jeder Lehrer kennt das: Ich weiß das, *schnipsschnips* Ich kenne die Lösung *hopshops* Nehmen Sie mich dran, ich weiß es! *hyperventilier*. In Haar gibt es den Haar in Haar-Friseur, den haar-club und Haar Schnitt. Man kann in der Hinsicht vermutlich froh sein, dass Glatz im früheren Schlesien jetzt Kłodzko heißt und nicht mehr deutsch ist.)

Friseurläden und ihre Namen (in Ostfriesland könnte einer sich Frieseur nennen!) werden also landauf landab diskutiert. Viel zu wenig Beachtung hat dagegen bisher die Tatsache gefunden, dass Fahrradläden auch oft wortspielerische Benennungen tragen. Lange gezählt sind die Tage, als solche Läden standardmäßig Zweirad-Meyer hießen oder Fahrrad-Müller oder Fahrradladen Grummelstadt, Zweiradfachgeschäft Schrauber, Bimmels Fahrradladen oder, vermutlich als erste Regung der Welle origineller Benennungen, einfach Der Fahrradladen (heute auch gern in CamelCase gesetzt als FahrRadLaden). Die Läden unter solchen Namen gibt es natürlich immer noch, aber eher so am Rand. Heute heißt das anders:

Hochverrad etwa, oder rad und tat Ottensen. Radel verpflichtet. RadlagerTretlager, Rücktritt, Kettenreaktion, Kettenkraft, Zum Goldenen Lenker, Pedalross, 28zoll, blitzventil, Sattelfest, radschlag, Bergetappe, rundum.

Es gibt Kingcycles, Veloman, BikedudesPedalpower. Balance, fahrradgigantalsterspeiche. Drahtesel gibt es überall im Land in verschiedenen Darreichungsformen und Kombinationen, einschließlich Drahtesel2000 (ich fand schon Blume2000 idiotisch, aber Blumenläden sind ein Kapitel für sich). Brüller wie Bikes & more dürfen natürlich nicht fehlen, oder obercoole Beiträge wie 2Wheelz.

Sogar Französisches kommt vor: Pédalage oder Vélo 54. Das ist nicht besser, nur anders. Ob man es für hochnäsig oder originell halten will, ist Geschmackssache.

Manchmal heißen auch die Leute so, dass es zu Fahrradläden passt, etwa der Radl-Rudl aus Andechs, der Mann heißt scheint’s echt Rudl. Ähnlich steht es mit Zweirad Ross in Sassenberg, die Inhaberin heißt Roß mit Namen, und fast so mit Radelkowski, da mischt jemand namens Rakowski mit. Bei Fahrrad Klingel könnte ich mir das auch vorstellen.

Eigentlich müsste in Frankfurt-Niederrad jemand einen Fahrradladen Niederrad eröffnen und entweder hauptsächlich Liegefahrräder vertreiben oder, ironisch, Hochräder oder wenigstens die reichlich hochbeinigen Modelle von Pedersen. In Frankfurt-Oberrad könnte der Inhaber ein Pendant betreiben, das ihn zum bizyklären Vollsortimenter machen würde.

Ich sehe diese Originellbenennerei der Läden mit gemischten Gefühlen. Dass man versucht, sich mit dem eigenen Laden von der Masse abzuheben, ist völlig vernünftig, und dass die Benennung des Ladens dabei ein Schlüsselelement ist, versteht sich. Dass es dabei ein vermutlich nicht unbegrenztes Inventar an verständlichen Wortspielen gibt, ist naheliegend. Und dass nicht jeder meinen exquisiten Geschmack treffen und meine, ahem, hohen Standards einhalten kann, ist auch nichts Neues. Deshalb wird sich niemand wundern, dass ich einige der Namen richtig bescheuert finde und viele eher mäh. Aber einige gefallen mir ziemlich gut, die haben Witz. Naja, mein Humor.

Jedenfalls wabert hier wesentlich weniger kulturpessimistischer Leidensdruck durchs Internet als in Sachen Friseurläden, und das will doch was heißen, wo doch sonst alles und jedes für einen kleinen Shitstorm oder ein paar abfälllige Spalten Feuilleton gut ist.

Irgendwer ist übrigens auf die Idee gekommen, Fahrradstraßen als Strampelpfad zu bezeichnen. Spezielle Radfahrkleidung heißt dann wahrscheinlich Strampelanzug. Was noch fehlt: Sattelschlepper (passend, irgendwie, zu meinen Phantomfahrrädern), oder Umsatteln.

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

10 Kommentare zu „Fahrradläden“

  1. Die Großen sind auch nicht besser.
    „Bikemax“ finde ich nicht unbedingt den Brüller.

    Den „Radstall“ bei uns im Ort gibt es schon seit ungefähr 25 Jahren. Damals war das noch originell …

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  2. Klar, sowas bleibt nicht für die Ewigkeit originell. Entweder weil genügend Leute das abgekupfert haben oder weil insgesamt mehr Läden irgendwie originell heißen und man zwischen dem vielen originellen Zeug dann nicht mehr auffällt.

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  3. Wunderbare Gedanken zu einem dankbaren Thema: Die verzweifelten Versuche, originelle Namen zu finden, die oft überkippen ins Erbärmliche und Lächerliche. Stets amüsant zu beobachten. Ich kenne ein Kino auf einem Hügelchen, das hieß früher Lichtspielberg (no comment).
    Der Radladen meines Vertrauens heißt übeigens Mo.Bi.Tec (Motor Bike Technik) – vergleichsweise harmlos.

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  4. Danke 🙂 Ich bin froh, nicht in der Werbe-, PR- oder Marketingwelt gelandet zu sein. Die Leute da müssen ja ständig so Zeug auswerfen, und das gleitet dann eben öfters mal ab.

    Stimmt aber, Mo.Bi.Tec. klingt nicht so schlimm.

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  5. :..der Exil-Georgier in der Schweiz nennt seinen Laden dann sakartVELO, ein auf Rennräder spezialisiertes Geschäft könnte „QUÄL DICH, DU SAU!!!“ heißen… aber richtig auf die Palme gebracht hat mich vor einiger Zeit „RückRad“ in Köln! Rückrad!!! Dummdeutsch in Perfektion, wie man es Tag für Tag in den Leserkommentarspalten der Zeitungsportale an die Backe gelötet bekommt, in einer Liga mit solchen Klassikern wie „höhren“, „tollerant“ oder „Biebel“! Dass es in der Regel die aufrrrrrrrrechten Kämpfer gegen linksgrüne Gutmenschen, Verschwulung und Islamisierung sind, die solchen Orthographieschrott produzieren, gibt der Sache erst so richtig den ekligen Beigeschmack…

    Bombe drauf!!! (nein, nicht auf die Fahrradläden…)

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  6. Autsch, RückRad ist böse. Ich warte auch noch auf das Volksfahrrad. Das könnte Bild in Kooperation mit Lidl rechtzeitig zum Vatertag unters Volk bringen. Und so ein aufrrrechter Kämpfer könnte seinen Fahrradladen passenderweise Doppel-Acht nennen (88 wäre zu auffällig)…

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  7. Bei einem Besuch in der Stadt meiner Jugend habe ich mit großer Zufriednheit festgestellt, dass Fahrrad Petersen immer noch Fahrrad Petersen heißt. Und noch immer wie früher schon auch andere Zweiräder verhökert.

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  8. „Räderwerk“ in Hannover, da habe ich mein heiß geliebtes Liegerad her, und „Velobox“ hätte ich anzubieten.

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  9. Das ist natürlich das Wichtigste: Dass man gute Fahrräder und Beratung kriegt, egal wie der Laden sich nennt.

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In den Wald hineinrufen

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