Die letzten 96,4% beißen die Hunde

Im Freibad ist Handyverbot. Direkt nach der Kasse, am Zugang zu den Umkleidekabinen und Schließfächern hängt ein Schild, wo es draufsteht: Handys sind auf dem gesamten Gelände verboten. Man soll sie ausschalten und in den Wertsachenfächern einschließen. Außerdem, steht sinngemäß auf einem weiteren Schild, werde im Schwimmbad irre viel geklaut, sodass für Wertsachen keine Haftung übernommen werden könne und man entsprechend vorsichtig sein solle.

Das Schwimmbad hält immerhin 60 Wertsachenfächer zum Einschließen von beispielsweise Handys vor. Sechzig. Am Wochenende bei leidlich schönem Wetter sind diese Fächer allerspätestens um 11 Uhr sämtlich belegt. Gut, es gibt noch gut 150 normale, große Schließfächer für Kleidung, wo man die Handys natürlich auch einschließen kann – sicherheitstechnisch wird das keinen großen Unterschied machen.

Von diesen Schließfächern dürften die ersten 60 sicher schon von den Leuten belegt werden, die auch die Wertsachenfächer benutzen – wer Wertsachen einschließt, schließt wahrscheinlich auch Kleidung ein. Andererseits werden nicht alle, die ein Schließfach für Kleidung benutzen, auch ein Wertsachenfach belegen. Also können maximal 210 Leute mindestens ein Schließfach abkriegen und könnten dort ihre Handys vorschriftsmäßig (Wertsachenfach) oder nicht ganz vorschriftsmäßig (Kleiderschließfach) einschließen. Wegen der vermuteten Doppelbelegung dürften es aber meistens weniger sein.

Die übrigen können der Vorschrift keine Folge leisten. Wer mittags oder später kommt hat keine Chance. Damit ist die Vorschrift nicht durchsetzbar und praktisch nichtig – das Handy gleich zuhause zu lassen ist nicht ohne weiteres zumutbar und so ein Freibadbetreiber hat sicher kein Recht, das zu verlangen. Ich weiß nicht, wieviele Leute an schönen Tagen so im Bad sind, aber es sind bestimmt mehrere Tausend. Sagen wir 5.000, und im Schnitt 180 Schließfachnutzer, dann reichen die Schließfächer für ungefähr 3,6% der Badegäste.

Natürlich habe ich nicht berücksichtigt, dass Gruppen von Badegästen sich oft ein Schließfach teilen. Familien etwa oder Gruppen von Freunden. Die genannten 5.000 Badegäste benötigen also keine 5.000 Schließfächer sondern kämen mit weniger aus, vielleicht 3.000 oder 2.000 oder so. Meine Überschrift ist also unnötig reißerisch, boulevardeske Panikmache eben. In Wirklichkeit werden vermutlich nur zwischen 91 und 94% gebissen.

Ist aber eigentlich auch egal, das Handyverbot wird sowieso ignoriert, von den Badegästen wie vom Personal…

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

17 Kommentare zu „Die letzten 96,4% beißen die Hunde“

  1. Hmja, aber nur wenn man freiwillig drauftritt. Als standardmäßige Ersatzlösung für Schließfächer wird das nicht taugen.

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  2. Der war gut, was? 😉
    Abgesehen davon frage ich mich allerdings, wozu in einem Freibad Handys überhaupt verboten sind… nicht, dass mich das (mangels eigenem Handy) stören würde, aber wieso soll man in einem Freibad nicht telefonieren dürfen?

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  3. Freiheit ist immer gut, und wenn’s da nichts zu sehen gibt, ist das halt so 🙂

    Ja, das verstehe ich auch nicht. Wegen Lärmbelästigung kann es kaum sein, wo da überall Kinder rumlaufen und quietschen, lachen, schreien, Jugendliche und Erwachsene übrigens auch. Wer seine Ruhe haben will, geht sicher nicht ins Freibad.

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  4. Ist mit Freibad nicht nur die Liegewiese und der Zehmeterturm usf. gemeint?, wahrscheinlich ja schon. Womit das Telefonieren unter Wasser erlaubt sein dürfte.

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  5. Naja, man dürfte das Telefon aber nicht durchs Freibad ins Becken tragen. Und ob man damit durchkäme, das Becken, also den Kern und die eigentliche Rai­son d’Être eines Freibades, als nicht Teil des Freibades zu bezeichnen, würde ich auch bezweifeln.

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  6. … wobei les raisons d’être des Freibads wahrscheinlich das sich-Sonnen, das Sehen und Gesehenwerden und das Lärmen sind?, das Schwimmen wahrscheinlich kaum oder fast nicht, zumal ja kaum geschwommen werden kann, wenn man les raisons d’être da grad ausschöpft.
    Aber wahrscheinlich hast Du Recht, dass das Wasser trotzdem zum Freibad gehört, obgleich leider so unwichtig.

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  7. Ich frage mich, was es für einen Sinn haben könnte, im Schwimmbad Handys zu verbieten. Wahrscheinlich: gar keinen. Ich erinnere mich, dass vor ca. 10 Jahren (?) in Münchener Bussen Handy-Verbotsschilder hingen und ich mir dieselbe Frage stellte. Warum keine Handys? Damit das liebliche Diesel-Säuseln nicht übertönt oder die empfindliche hochkomplexe Buselektronik nicht durch fiese Handystrahlen gestört wird? Man weiß es nicht …

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  8. … vielleicht dieses, weil Leute am Mobiltelefon allermeist so reden, als redeten sie ganz ohne Telefon mit dem am anderen Ende?, und man erfährt in bloßen zehn Busminuten dann viel mehr über irgend jemandes Privatstammeln, als man in München vor zehn Jahren wohl gewillt war zu erfahren 🙂

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  9. @ Christian: Ich verstehe das auch nicht. Übertönt wird da sowieso nichts, weil die allermeisten über Ohrhörer Musik hören oder Whats-App-Konversationen betreiben, und ob die Leute nun in Bücher, ins Leere oder auf ihre Displays schauen ist ja eigentlich wurscht.

    @ Aristobulus: Das ist wahr. Allerdings kriegt die Sorte Leute denselben Effekt auch ohne Handy mit den anwesenden Bekannten hin, das spricht also weniger gegen Handys als gegen überlautes Sprechen und allzu hoppla-jetzt-komm-ich-artiges Verhalten allgemein.

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  10. Wahrscheinlich sind Handys deshalb verboten, weil sie neu sind? Wäre das Auto neuer als das Handy, wäre ein Telefon vielleicht sogar vorgeschrieben, wie Warnweste und Verbandskasten, bei den ganzen durch Handys geretteten Leben. Fortschrittsfeindlich, und das isses.

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  11. Kann schon sein. Immerhin ist die Badekappenpflicht seit vielen Jahren vom Tisch, das ist ja auch eine Art Fortschritt…

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  12. Am Besten waren die Badekappen mit diesen Plastikblumen drauf, so in Knallgrün-Quietschgelb kombiniert mit diesen dollen Blumen, also die kamen richtig raus aus der Badekappe, und manchmal im Herbst fielen die Blüten ab.

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  13. Möglicherweise sind Handys wegen der Kamera nicht erlaubt. Es soll ja Leute geben, die Bilder von Menschen in nassen Badehosen/Bikinis etc. nicht nur für das heimische Familienalbum machen.

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  14. Kann schon sein. Ich weiß nicht, wie lange das Verbot dort schon gilt, es könnte noch aus der Zeit stammen, wo Kameras an Handys noch nicht gängig waren.

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In den Wald hineinrufen

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