Lächeln und freuen

laecheln_freuen

Was soll das denn? Glauben die ernsthaft, jemand würde gegen einen Strommast rennen und anschließend lächeln und sich des Lebens freuen, bloß weil ein anonymer Aufkleber dazu auffordert? Wer Lebensfreude verbreiten will, soll schöne, interessante oder witzige Dinge an Strommasten kleben statt bräsiger Gutgemeintheiten in stümperhaftem Grafikdesign.

Meine Zahnschmerzen, meine Arthritis, mein Darmkrebs (alle zum Glück nur illustrationshalber ausgedacht) werden sicher sofort besser, ebenso das schmuddelige Wetter und der chronische Parkplatzmangel, wenn ich schnell des Lebens freue und lächle. So ein nutzloser Quark!

Und überhaupt, es heißt immer noch sich des Lebens freuen, soviel Grammatik sollte drin sein. Das sich wird bei solchen im Infinitiv gehaltenen Aufforderungen aber so gut wie immer weggelassen, weil es zu sperrig aussähe und der Aufforderungscharakter nicht mehr recht zur Geltung käme: Ab hier bitte sich des Lebens freuen und lächeln. Auf die Idee, sich stattdessen eine Formulierung zu suchen, die keine Grammatikregeln verletzt, kommen sie nicht, oder es ist zuviel der Mühe.

Verdirbt mir deshalb die Stimmung. Gleich doppelt, wenn es in irgendwelcher bescheuerten Werbung vorkommt (Vorteil sichern!!einself!! oder Eiskalt erfrischen!!einzwölf!!). Dreifach, wenn es in solchen unmotivierten Aufmunterungsversuchen des Strickmusters Hey, lächle und alles wird besser!!einsdreizehn!! daherkommt.

(An dieser Stelle möchte ich kurz anmerken, dass ich nichts mit der Grammatikpolizei zu tun habe. Grammatikfehler ärgern mich in diesem Zusammenhang nicht, weil sie die Grammatik oder gar die deutsche Sprache zerstören (tun sie nicht), sondern eher, weil Leute, die es besser wissen müssten, sich nicht die Mühe machen, korrekt zu formulieren. Vermutlich aus Nachlässigkeit oder um sich beim Publikum mit offensichtlich gespielter Lockerheit und sehr fadenscheiniger Street Credibility anzubiedern. Ansonsten ist diese Art, das sich zu unterschlagen, eine wohl vor allem werbungsgetriebene Modeerscheinung und als solche sowieso schon dringend der Nervigkeit verdächtig.)

Immerhin sind sie höflich und sagen bitte. Ich lehne das Angebot dankend ab und pflege stattdessen meine schlechte Laune, vielen Dank…

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

38 Kommentare zu „Lächeln und freuen“

  1. Mein Universal-Sticker für öffentliche Orte trüge die Inschrift:

    „WANN KOMMT HIER EIGENTLICH DER BUS NACH KABUL?“

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  2. Du bist nicht verpflichtet Dich zu ärgern. Warum fühlst Du Dich angesprochen? Warum pflegst Du Deine schlechte Laune? Macht das Spaß?

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  3. Wieso sollte ich auch verpflichtet sein, mich zu ärgern? Weder muss ich der Aufforderung des Aufklebers folgen noch (kindisch-trotzköpfig beträchtliche, hüstel, Reife und innerliche Unabhängigkeit beweisend) genau das Gegenteil tun.

    Ich finde solche mit der Gießkanne verteilten Motivations- und Aufmunterungssprüche aber einfach nervig, und die sich-lose Formulierung auch. Die wirken ein bisschen wie das Piepsen von Lkw, wenn die auf einer Baustelle gerade noch in Hörweite rückwärts fahren – manchmal kann ich es ausblenden, manchmal geht es mir tierisch auf die Nerven. Und das habe ich hier eben schriftlich verarbeitet.

    Der Effekt ist aber sowieso meist von kurzer Dauer, ich sitze jetzt nicht den ganzen Tag grummelnd mit einer schwarzen Wolke über dem Kopf da, bloß weil jemand (möglicherweise sehr Liebenswertes und ehrlich Wohlmeinendes) mit plüschigem Gemüt frohe Botschaften in den öffentlichen Raum geklebt hat.

    Wäre ich ein Hund würde mein Mensch sagen, der will nur spielen.

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  4. *Tusch*

    Man fand sie irgendwo
    beim Gnaddrig und so,
    Ros-wiii-tha (Echo: Ros-wiii-tha),
    wirr war ihr Haar,
    und sie sagte Arr-Arr

    (Rest wegen zuviel Verbreitung von zuviel schlechter Laune zensuriert 🙂 )

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  5. Arrgh, nein, jetzt erinnere ich mich wieder daß es das Lied gab und foltere mich den ganzen Abend damit, das vor mich hinsummen zu müssen (Echo: Klaus-Diiiiiieeeeeeter). Ich kann mich ja schlecht vor meinem eigenen Ohrwurm verstecken, wenn der über mich reinbricht (ausnahmsweise nicht reflexiv) – aber die letzte Silbe klingt dann sehr verlockend.

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  6. Waaah.
    Bitte-Keinen-Ohrwurm-und-vorAllemNichtDEEENBitte-Keinen-Ohrwurm-und-vorAllemNichtDEEENBitte-Keinen-Ohrwurm-und-vorAllemNichtDEEENBitte-Keinen-Ohrwurm-und-vorAllemNichtDEEENBitte-Keinen-Ohrwurm-und-vorAllemNichtDEEENBitte-Keinen-Ohrwurm-und-vorAllemNichtDEEEN

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  7. Als ich das Bild sah, musste ich lächeln und freute mich sogar. Jetzt komme ich mir dabei ein bisschen doof vor…
    Aber gut, ich habe auch weder Zahnschmerzen noch Schlimmeres…

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  8. Brauchst Dir nicht doof vorzukommen, im Gegenteil. Ist doch schön, wenn es bei Dir wie vorgesehen wirkt. Roswitha wird sich freuen. Es scheint, dass verschiedene Leute einfach unterschiedlich ticken 😉

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  9. Gut gegnaddert! Wie recht Sie haben: was sollte den Rezipienten solcherlei trief(sic)sinniger Tagesparolen veranlassen, grundlos greinend herumzulaufen, bloß weil irgendein Einfaltspinsel einen »Tag des Lächelns«*) ausgerufen hat. 
    – »Wenn du jemanden ohne Lächeln siehst, schenke ihm deines.« – Und wenn derjenige zwar kein Lächeln, aber etwa ein Emphysem hat und grad seinen Tag des Hechelns oder Tag des Röchelns, dann will der deines womöglich gar nicht geschenkt kriegen.
    – »Schenken Sie ein Lächeln, es bewirkt wahre Wunder« – Kein Wunder freilich, wenn Sie der unerbeten Beschenkte draufhin fragt: »Was gibts da zum grinsen?« Dafür brauchts nichtmal extra einen »Tag des Gnadderns« 😉

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  10. Schon wieder Befremdliches. Wobei es die gelben Grinser sind, die mir die Geduld strapazieren. Ansonsten: soll doch jeder die Laune haben, die er will! (… und einen suuupertollen Tag noch!)

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  11. Soso, Herr Aristobulus! Da kommen Sie mir so. Wissense was? Da drücke ich Strg-Minus, und noch mal, und noch mal, und noch mal … Sehnse? Genau, ich auch nicht mehr.

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  12. Da komme ich dem Lakritzischen glatt mit diesem hier: 😀 😀
    Ha.
    Das hat gesessen. 🙂
    Und es schadet ihm nichtmal was, weil er einen schönen Tastaturtrick kann, hmmm, den ich nicht kann 😦

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  13. … weil auch nach fünfmaligem Drüxen des Minusses zwar der Text nanoklein wird, aber die Gelbschmeilis grienen da wie eh oder wie je.
    Was’ne Nötigung zum Zurückgrienen immer so. Schimmer als jeder Strommast.

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  14. Ja, entweder muss der Aristobulus größer schreiben oder Lakritze besorgt sich ne Lupe oder, also, ich kenn da ’nen Trick: Strg-Plus drücken 😉

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  15. Hier herrscht ja mittlerweile beträchtliche Heiterkeit. Ich stelle also fest, dass der Freu-Aufkleber zumindest indirekt dann doch gewirkt hat…

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  16. … der Gelbnasenalbatros (so weit reicht Gnaddrigs Blog jetzt, dass es sich schon bis da hin rumgesprochen und -gekräht hat) kann das entgilbtermaßen, nur seine Nase findet er gelb so schön oder schön so gelb, dass er sie mitnichten entgilbete:

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  17. Dafür bin ich miit dem Albatros und dem Plus und der guten Laune jetzt meinen Ohrwurm los 😀 – weil ich einen neuen habe 😦
    Now you see it’s all a show, keep on laughing as you go – just remember that the last laugh is on you…“

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In den Wald hineinrufen

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