Sachensucher
Veröffentlicht: 08.05.2017 Abgelegt unter: Technische Lösungen für den Alltag | Tags: Gadget, IoT, Pippi Langstrumpf, re:publica, Smartphone 10 KommentareHandy verloren oder irgendwo liegengelassen? Ärgerlich. Hoffentlich passwortgeschützt und gesperrt, sonst kann es dreifach unangenehm werden. Egal, ob das Handy bei irgendeiner Gelegenheit aus der Tasche fällt oder ob man es bei Feierabend im Büro liegenlässt (noch schlimmer: auf dem Weg ins Wochenende; ganz schlimm: auf dem Weg in den Urlaub) – es ist lästig. Je mehr man im Alltag das Smartphone benutzt, desto mehr fehlt es, wenn es weg ist.
Zum Glück kann man solchen Unannehmlichkeiten vorbeugen. Man braucht nur einen Schlüsselanhänger mit einem Chip, der Krach schlägt, sobald man sich über eine voreingestellte oder vom Benutzer festzulegende Distanz vom eigenen Smartphone entfernt. Ob das Ding dann nun blinkt, piepst oder vibriert kann man nach persönlicher Vorliebe einstellen. (Oder ein Implantat speist eine entsprechende visuelle Meldung direkt in den Sehnerv, aber so weit ist man wohl noch nicht.)
Soweit so gut, nie wieder Handy irgendwo vergessen, die Geschichte könnte hier zuende sein. Aber das ist mir zu simpel, das hätte man vermutlich vor dreißig Jahren schon so bauen können, damit kann man heute keinen Blumentopf mehr gewinnen. Also schlage ich vor, das ganze noch ein bisschen aufzumotzen. Wem übrigens Schlüsselanhänger zu vorgestrig sind, nimmt stattdessen eine Smartwatch. Es braucht eine App zur Steuerung, da kann man dann festlegen, unter welchen Umständen der Schlüsselanhänger wie Signal geben soll.
Die App könnte zum Beispiel auf den Kalender zugreifen und in Abhängigkeit vom jeweiligen Status ein Piepsen, nur Vibration oder Blinken veranlassen, damit der Schlüsselanhänger nicht anfängt zu krakeelen, wenn ich während einer Präsentation auf der Bühne auf- und ablaufe und dabei jedesmal die definierte Entfernung überschreite.
Mancher hat das Handy tagsüber auch in der Schreibtischschublade liegen und sammelt es bei Feierabend ein. Man könnte die Benachrichtigung so einstellen, dass es nur piepst, wenn man sich in der Zeit um den im Kalender eingetragenen Feierabend (oder, bei Vielbeschäftigen: um das Ende des letzten Termins im Kalender) entfernt. Oder wenn man das Gebäude verlässt oder das Parkhaus betritt oder so. Da könnte man unzählige beliebig komplexe Szenarios abbilden. Außerdem könnte das Piepsgerät auf Wunsch irgendwie anzeigen, in welcher Richtung das Handy zu finden ist, über ein kleines Display (das die Smartwatch ja sowieso hätte) oder sonstwie.
Man könnte das sicher erweitern und andere Geräte dranhängen, wir leben immerhin in der Morgendämmerung des Internets der Dinge. Dann könnte ich auch mein Schlüsselbund, meine Brille, meine Kamera, den Kühlschrank oder mein Fahrrad problemlos wiederfinden oder müsste sie gar nicht erst verlieren. Nur der altehrwürdige Beruf des Sachensuchers würde dann überflüssig, die Leute würden auf IT-Support oder Call-Center-Agent umschulen, nur ein paar Hartnäckige würden den Beruf im Sinne der Traditionspflege ehrenamtlich weiterbetreiben. Der Normalbürger würde die entsprechenden Fähigkeiten verlernen, wie das Kartenlesen und überhaupt die Orientierung ohne Navi.
Die Aufnahme ins Weltkulturerbe stünde in Aussicht, und irgendwann fahren Schulklassen dann ins Museum der Analogen Welt, wo man ihnen den primitiven Alltag der Leute im frühen 21. Jahrhundert erklärt, mit Vorführungen und praktischen Übungen im Sachensuchen ganz ohne elektronische Hilfe.
Internet der Dinge? Das ist was für Turbo-Lebensoptimierer, die nachts hochleistungsschlafen und tagsüber jede Sekunde dreimal umdrehen! Da warte ich lieber auf den großen Durchbruch beim Transhumanismus und erreiche ganz ohne Stress ein vierstelliges Alter… vorzugsweise in meinem Zehnmeterspurbahn-Privatwaggon! Mit eingebauter Theaterorgel! Und Panorama-Luchsgarten im Obergeschoss! …nicht kratzen, Tristan! AUA!!!
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Aber was willste denn so lange machen? Wird doch langweilig?
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GOTT sein, einfach nur GOTT sein!
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…oder um es zu konkretisieren: Theaterorgel spielen, Luchse züchten und die theoretischen Vorbereitungen zu einer ethisch akzeptablen endgültigen Lösung der Afghanistanfrage (siehe https://gnadlib.wordpress.com/2017/04/26/knitter/#comment-4747) zu treffen!
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Brauche ich unbedingt! Mit der Zeit, die ich beim Nichtmehrschlüsselsuchen spare, könnte ich ein Roman schreiben.
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Na bitte, dann kann die Digitalisierung tatsächlich auch erfreuliche Nebenwirkungen haben 😉
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Und der Heilige Antonius von Padua hätte dann auch nichts mehr zu tun. – Ich fürchte, die Morgendämmerung des Internets der Dinge geht mit einem Verdämmern der menschlichen Fähigkeit einher, notfalls auch ohne Technik irgendwie mit dem Leben klar zu kommen.
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So sieht es aus. Use it or lose it, Übung macht den Meister und so…
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Wobei der Beruf des Sachensuchers, wie er mir aus der Literatur vertraut ist, sich dadurch auszeichnet, dass die gesuchten Sachen vorher nicht vermisst wurden. Oder trügt meine Erinnerung? Dann müsste mich mal mein Exemplar dieses Werkes suchen 😉
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Ja, da hast Du recht. Auf die aus der Literatur bekannte Ur-Sachensucherin passt der Begriff „Sachensucher“ deshalb nicht, die war eher Sachenfinderin oder, wie der Beruf heute vermutlich hieße, Fachwirtin für praktische Serendipität oder, in der akademischen Variante, Magistra für angewandte Serendipität 😉
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