Lernen vom Meister

Dass bei der AfD trotz ihrer Bemühungen um einen bürgerlichen Auftritt und ihrer Beteuerungen, keine Nazis zu sein und mit nicht mit Nazis zusammenzuarbeiten, der eine oder andere bräunliche Fleck auf der Weste durchscheint, ist kein Geheimnis. Was man so aus den Reihen dieser Partei hört, lässt in der Hinsicht wenig Fragen offen.

Die Geschichte der Partei ist eigentlich eine Aneinanderreihung von Rechtsrucken. Seit Jahren treten Mitglieder vom gemäßigteren Rand aus oder werden rausgeekelt, und die radikaleren Figuren gewinnen mehr und mehr Gewicht. Der Laden wird lauter und radikaler. Ein wiederkehrendes Muster ist: Jemand aus der AfD macht eine provozierende Äußerung, darauf folgt allenthalben Empörung der Demokraten, dann rudert die- oder derjenige zurück oder will es nicht so gemeint haben, will missverstanden worden oder auf der Maus ausgerutscht sein.

Ich finde das besorgniserregend und abstoßend und halte diese Partei für eine Gefahr für unsere Rechtsordnung. Mittlerweile denkt der Verfassungsschutz darüber nach, ob die AfD beobachtet gehört, und es spricht einiges dafür.

Nun können nicht alle ständig allen AfD-Figuren folgen und sich ein auch nur halbwegs vollständiges Bild machen. Es braucht Leute, die das stellvertretend tun, die sammeln, analysieren, ordnen. Einer, der das regelmäßig tut ist der Jurist Peter Nagel auf Twitter. Der schaut sich an, was das öffentlich präsente AfD-Personal so von sich gibt, sortiert es ein und veröffentlicht, was er da findet.

Man findet dort viele Einzelfälle: Äußerungen werden zitiert (oft punktgenau auf Youtube verlinkt oder anhand von Screenshots der jeweiligen Facebookkommentare oder Tweets dokumentiert) und gegebenenfalls mit einschlägigen Passagen in Hitlers „Mein Kampf“ in Verbindung gebracht (das hat mich übrigens zu dem Titel dieses Beitrags inspiriert) oder sonst in passende historische Zusammenhänge gestellt. Zu einzelnen Vokabeln und Wendungen, die manche Exponenten der AfD gern benutzen, werden per Google Ngram Viewer Parallelen zum Sprachgebrauch früherer Zeiten hergestellt.

Man kann dabei auch sehr schön beobachten, wie diese Leute diskutieren bzw. die Diskussion verweigern – die Standardreaktion ist das Blocken unbequemer Nachfrager wie Peter Nagel. Daraus ergibt sich ein ausgesprochen unschönes Gesamtbild, das an verflossene und bislang für unwiederholbar gehaltene Abschnitte der deutschen Geschichte erinnert.

Die Anfänge sind längst gemacht, sie treiben das Land beharrlich weiter in Richtung einer Art Weimar 2.0*. Das berühmte Overton-Fenster befindet sich in Deutschland dank eifriger Bemühungen auch der AfD in stetiger Drift nach rechts, und wenn diese Leute hier was zu sagen kriegen, wird es sehr ungemütlich im Land der Dichter und Denker.

Stellt sich die Frage, wann ist es genug? Wo ist die Grenze? Wann und wo muss wer kommen und auf den Tisch hauen, damit der Spuk endet, bevor es wieder richtig schlimm und dunkel wird in Deutschland. Noch eine Götterdämmerung braucht ja nun wirklich niemand. Was sich da im Einzelnen zusammenbraut weiß ich nicht, aber wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung eine Chance gegen diese autoritären Wiederaufwärmer alter chauvinistischer Gewitterträume haben soll, müssen da genug Leute gegenhalten. Dazu müssen sie sehen und verstehen, was da passiert, und dazu leistet Peter Nagel auf Twitter einen wertvollen Beitrag.

Das sieht dann zum Beispiel so aus:

Oder so:

Oder so, nicht repräsentativ zusammengesucht:

Das Fazit:

Ich schätze Peter Nagels unaufgeregte Beharrlichkeit und seine solide Quellenarbeit – sein Account ist eine Fundgrube für alle, die sich für „das wahre Gesicht“ der schon längst entlarvten AfD und ihrer Exponenten interessieren.

Diesen Beitrag hatte ich schon im Sommer geschrieben, dann aber versehentlich liegenlassen. Jetzt wiedergefunden und geringfügig angepasst. Leider passt er immer noch.

———

* – Zum Thema Weimar 2.0 wird in der letzten Zeit einiges geschrieben. Ein paar Fundstücke:

  • Meinhard Creydt seziert „Nie zweimal in denselben Fluss“ von Björn Höcke: Höcke droht mit Dunkeldeutschland, damit hinterher niemand sagen kann, man hätte das ja nicht kommen sehen können. Fazit:

Höcke vertritt drei Botschaften. Erstens die üblichen rechten Positionen (zur Migration als vermeintliche „Mutter aller Probleme“ und zur „Vergangenheitsbewältigung“). Zweitens das Plädoyer für kollektives überkompensatorisches Selbstbewusstsein. (…)

Die Menschen sollen nicht wahrnehmen, wie es ihnen infolge der Umsetzung von Höckes Vorschlägen schlecht ergehen wird, sondern sich der grandiosen Vorstellung hingeben, Teil eines Volkes voller Macht und „Herrlichkeit“ zu sein. (…)

Höcke tritt ein für den gewaltsamen Ausschluss aller Opposition aus der von einer Elite mit „starker Hand“ geführten Nation ein. Er befürwortet die Umerziehung der Bevölkerung zum „deutschen Volkscharakter“ durch die „Zuchtmeister“.

Dieses brutale politische Projekt bildet die dritte Botschaft von Höcke. Es formuliert eine trotz allen verquasten Überbaus unmissverständliche Ansage. Höcke macht bekannt, was die Bevölkerung zu erwarten hat, wenn er und seinesgleichen nicht nur an die Regierung, sondern an die Macht kommen.

  • Shimon Stein und Moshe Zimmermann: Wieviel damals ist schon wieder? – über die Gefahr von rechts, die Erosion der liberalen Demokratie, die „kumulative Radikalisierung“. (Leider hinter der Bezahlschranke von Zeit Online.)
  • Schlecky Silberstein: Ein Hauch von ‘33 – Und plötzlich stehen sie vor deiner Tür (via).
    Da drehen welche eine Parodie auf die Ereignisse von Chemnitz und finden sich plötzlich im Visier einer aufstrebenden rechtslastigen Partei. Im Internet werden die Namen und Privatadressen von Beteiligten veröffentlicht, garniert mit antisemitischen Kommentaren über jüdische Familiennamen. Es kursieren Aufrufe, da doch mal Besuche abzustatten. Man versteht, wie Silberstein auf den Titel seines Textes kommt.

Ich verstehe jeden, der es satt ist, von Tourette-Linken niedergeschrien zu werden. Ich verstehe jeden, der in der Migration ein gigantisches Problem sieht. Ich verstehe sogar alle, die sich eine Partei wünschen, die so erzkonservativ ist, dass sie uns am liebsten zurück in die 50er-Jahre bringen will. Aber weiter zurück sollten wir nicht fallen. Wer Künstler und Journalisten bedroht und in den eigenen Kommentarspalten toleriert, dass Medienschaffende und ihre Familien dem Mob präsentiert werden, der kann keine Alternative sein. Sagt das gern auch Euren Eltern.

  • Der Historiker Michael Wildt fragt anlässlich der jüngsten Ereignisse in Chemnitz: Droht Deutschland ein neues 1933? und beleuchtet nüchtern die Parallelen und Unterschiede zwischen heute und der Weimarer Zeit.
  • Frank Stauss über Hetze in Deuschland 4.0 – zum Umgang mit Minderheiten, anderen und uns selbst:

Die Minderheit wird zum Sündenbock und ausgerechnet AUSGERECHNET die Deutschen erklären sich selbst zum Leuchtturm gegen Antisemitismus, Homophobie und Frauendiskriminierung in der Welt. Verlogener kann eine Gesellschaft sich kaum selbst überhöhen.

(…)

Wir in Deutschland können stolz darauf sein, dass wir in unserer Gesellschaft große Fortschritte gemacht haben. Nachdem wir mit unserer Selbstüberhöhung als Herrenrasse Millionen Menschen gemeuchelt haben, hatte wir auch einen guten Grund. Aber es waren dennoch zähe Kämpfe und in vielen Bereichen sind sie noch lange nicht abgeschlossen. Wenn wir etwas gelernt haben aus unserer Vergangenheit, dann doch, dass Aufklärung, Begegnungen und Information die besten Mittel gegen Vorurteile sind. Und zwar gegen alle Vorurteile – egal von wem sie gegen wen gerichtet sind.

Wollen wir wirklich aus zu recht kritisierten Einzelfällen eine neue Hasswelle lostreten? Eine Spirale des Hasses, an deren Ende Muslime durch deutsche Straßen gejagt, ihre Moscheen angezündet und ihre Geschäfte geplündert werden? Wir sind auf dem Weg.

Wir sind wieder dabei, uns zur Herrenrasse zu erklären. Diesmal zur Herrenrasse des gesellschaftlichen Fortschritts. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem wir in unsere dunkelsten Abgründe zurückzufallen.

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

6 Kommentare zu „Lernen vom Meister“

  1. @gnaddrig
    Schlecky Silberstein:
    „Ich verstehe jeden, der es satt ist, von Tourette-Linken niedergeschrien zu werden.“

    So ein Tourette-Linker bin ich allerdings selbst auch gerne… meine Standard-Reaktion auf blaunes Gerotze im Netz ist üblicherweise „Halt die Fresse, Nazi!“, während in meinem Kopf regelmäßig noch ein wesentlich brutalerer Film abläuft… aber ich wüsste nicht, wie man mit solchen Leute argumentieren sollte! Die sind dermaßen zugedröhnt mit ihrem Wahnschmadder (auch gerade, wenn es um die Hardcore-Fraktion mit der Hooton-Verschwörung geht), dass ich mich genauso gut mit meiner Waschmaschine unterhalten könnte…

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  2. Ja, ist ein Dilemma. Manchmal geht es auch weniger darum, mit Rechtsradikalen selbst zu diskutieren, sondern deren Bullshit offenzulegen und den anderen zu zeigen, dass auch solche Leute nicht unwidersprochen alles rausblasen können. Oder so. Wo man da wie Grenzen zieht, ist sicher nicht immer einfach zu entscheiden. Da gibt es ganz unterschiedliche Ansätze, genau wie bei der Zielsetzung überhaupt.

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  3. @gnaddrig

    Den „wesentlich brutaleren Film“ in meinem Kopf öffentlich zu schildern wäre nicht nur höchstwahrscheinlich Gewaltdarstellung nach §131 StGB, sondern vor allem Wasser auf die Mühlen der Bürgerkriegs-Sehnsucht der extremen Rechten… Rechtsradikale sind geradezu verliebt in den Krieg, für einen echten Rechten ist das Leben an sich hauptsächlich Krieg, das ganze Denken dieser Leute bewegt sich in militärischen Kategorien. Es wäre wirklich mal interessant herauszufinden, was das für Persönlichkeitstypen sind, wie man überhaupt so wird und was dagegen präventiv getan werden könnte…

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