Linksabbiegerlabyrinth

Neulich in der Schule meiner Tochter. Da gab es in einem Klassenzimmer eine fast saubere Tafel und ein Stück Kreide, beide gerade unbenutzt. Also habe ich was gemalt.

Diese Figur ist simpler als sie vielleicht aussieht. Sie besteht aus einem einzigen Strich, den ich ohne abzusetzen nur mit Linksknicken ziehe, bis ich am Ende wieder zu meinem Ansatzpunkt zurückkehre. Der Ansatzpunkt ist auf der senkrechten Linie, die über die ganze Höhe des Gebildes geht, ungefähr 1/5 vom oberen Rand des fertigen Gebildes.

Ich setze also die Kreide an und male einen senkrechten Strich nach unten, biege dann rechtwinklig nach links ab (immer „in Fahrtrichtung“ gesehen), wieder links, sodass ich aufwärts male, und wieder links, sodass ich meine erste Linie kurz unterhalb meines Ansatzpunktes schneide. Nach zwei weiteren Linksschwenks kreuze ich die Anfangslinie wieder, kurz darauf meine erste Aufwärtslinie. Ich biege links ab, etwa auf Höhe meines Ansatzpunktes wieder links, sodass ich nach links male. Kurz vor der Ansatzlinie biege ich nach links ab, kreuze die beiden Querlinien, biege links ab, kreuze meine erste Aufwärtslinie, biege links ab, male aufwärts bis über die Höhe des Ansatzpunkts, biege links ab und auf der Breite des Ansatzpunkts nochmal links, bis sich die Figur schließt. Wem der Text zu unübersichtlich ist, kann sich das hier auch illustriert anschauen. (Den Farbverlauf habe ich hier erstellt.)

Diese Sorte Figuren male ich seit vielen Jahren, ich habe damit in der Schule angefangen (neulich ist mir ein altes Schulheft in die Finger geraten, wo so ein Ding drin war). Das ist hier nur ein kleines Beispiel, und ich habe das mal eben so hingeschludert. Das ginge sicher noch hübscher, aber hier auf der Tafel wirkt es so schön plastisch, finde ich. Und nach dem Prinzip kann man je nach Konzentration, Zeit und Platz beliebig große Flächen verzieren, mit etwas Übung ergeben sich schön ausgewogene Figuren. Das Zeichnen hat dann fast etwas Meditatives.

Ich glaube, ich habe noch nie das Wort links so häufig in einem so kurzen Text verwendet gesehen oder selbst verwendet.

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

11 Kommentare zu „Linksabbiegerlabyrinth“

  1. Ich habe früher ähnliche Figuren gemalt, aber ohne stringente Systematik und mit geschwungenen Linien. Im nächsten Schritt wurde ein Teil der entstandenen Felder geschwärzt, im Idealfall so, dass ein schwarzes Feld nur weiße Nachbarn hatte und umgekehrt. Aufgrund der fehlenden Systematik ging das in den meisten Fällen aber nicht auf. Das sollte bei Deinen Figuren aber klappen.
    In der nächsten Beprechung werde ich das mal ausprobieren.

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  2. Allein dass deine Tochter noch in einer Schule mit echten Tafeln lernen darf, stimmt froh. (Das war jetzt meine Dosis Luddismus für den Tag 😉 ).

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  3. Allerdings. Die Schule der anderen hat Whiteboards und blasse Boardmarker, die man aus den hinteren Reihen kaum noch lesen kann. Da ist das hier wirklich brauchbarer.

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  4. Mein Sohnemann geht auf eine „kreidelose“ Schule, Touchscreens in Tafelgröße (ich will nicht wissen, was die an Strom ziehen) – ist toll. Aber wenn ich mir Deine Kreidezeichnung anschaue, geht denen was verloren. Ich muss mal die Lehrer fragen, ob sie auch eine Art Kreide simulierende Stift oder so haben … Aber ob’s dieselbe Anmutung hat? Ich weiß nicht (grübelt über kreidelose Schule).

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  5. Altmodische Tafel und Kreide hat schon was. Haptisch irgendwie befriedigend, meistens.

    Mit solchen HiTech-Dingern kann man sicher alle möglichen tollen Sachen machen, die mit Kreide nicht gehen. Wenn’s gut eingerichtet ist, kann das wohl ziemlich klasse sein. Aber es ist außer teuer auch fehleranfällig, und wenn das Ding zickt steht man doof da. Oder die Oberfläche spiegelt zu stark und der Kontrast ist zu mies.

    Das gilt ein bisschen auch für Whiteboards, die doch immer mal mit Permanentstiften beschrieben werden, oder die porös werden und dann nicht mehr sauberzumachen sind. Oder die Stifte sind zu blass und zu dünn.

    Normale Tafel und Kreide geht eigentlich immer. Ohne jetzt vollends auf „früher war ales besser“ abzuschwenken – Kreide gehört zur Schule, schon weil sonst der klassische Schulgeruch nicht mehr stimmt…

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  6. Auf die Gefahr hin, als ewig gestrig geoutet zu werden: Ich sehe eigentlich nur Vorteile bei Tafel und Kreide. Einfach zu erlernendes User Interface, robustes quelloffenes und lizenzfreies Betriebssystem, geringer Energieverbrauch, billiger, und die direkte, nicht über Software vermittelte Beziehung zwischen eigener Bewegung und dem entstehenden Bild / Text (ok, wenn man genug Geld ausgibt, gibt es ein Smartboard, auf dem man mit „Stiften“ malen und die Ergebnisse in eine Datei speichern kann). Und was es für die feinmotorische Entwicklung und die Hand-Auge-Hirn-Koordination bedeutet, wenn Tafelbilder nicht mehr ins Heft abgemalt/-geschrieben, sondern als Datei verteilt werden, will ich gar nicht so genau wissen.
    Aber wir brauchen ja unbedingt die digitale Schule.

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  7. Sehe ich ähnlich. Tafel und Kreide sind ein Fall, wo „if it ain’t broke don’t fix it“ gilt – robuste Technik, die funktioniert und wo es keinen Verbesserungsbedarf gibt.

    Wenn man Tafelbilder übrigens digital erfassen will: Dafür gibt es auch Lösungen. Habe neulich einen speziellen Notizblock mit Blättern aus Plastikfolie gesehen. Da schreibt man mit Spezialstiften, und mit der zugehörigen App kann man das Ganze dann hinterher ins Handy scannen, ditigal weiterverarbeiten, Text mit einer OCR-Funktion umwandeln usw. Ich behaupte mal, sowas ließe sich auch ohne Spezialblock mit abfotografierten Schultafeln machen. Das wäre eine u.U. sinnvolle HiTech-Ergänzung. Billiger als Smartboards und vermutlich ähnlich gut.

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In den Wald hineinrufen

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