Erlebnisse

Irgendwie kann man kaum irgendwo irgendwas einkaufen, ohne dass man irgendwelchen Kram angeboten aufgedrängt kriegt. Das mancherorts übliche Gummibärchen für’s Kind an der Supermarktkasse ist ja ok, aber alles andere muss nicht sein.

Beinahe an jeder Kasse muss man mitteilen, dass man keine Paybackpunkte sammelt. In einer Reihe von Ketten wird man jedesmal gefragt, ob man die Kundenkarte hat; wenn nicht, ob man sie vielleicht will. Wenn man nicht sehr schnell und entschieden mit nein antwortet, werden oft auch gleich noch schnell die vielen allgemeinen Vorteile der Kundenkarte sowie die brandaktuellen Neukundenrabatte zum Sofortmitnehmen aufgezählt.

In den Filialen einer großen Drogeriekette wird man bei fast jedem Bezahlvorgang gefragt, ob man vielleicht noch eine Kleinigkeit aus dem Grabbelglas neben der Kasse mit irgendwelchem Ramsch für 50 Cent kaufen will. Wenn dort gerade Badekugeln oder Tagescremepröbchen angeboten werden, kriege ich als Mann die allerdings nie vorgeschlagen, womit wir dann gleich noch stereotype Rollenbilder auf der Meckerliste haben.

Oft gibt es Sonderaktionen, auf die man an der Kasse natürlich hingewiesen wird. Da lauern sie einem im Laden auf und man kriegt Dinge zum Probieren angeboten – Salamischeiben, Schokoladenstücke, Biokäsecracker. Oder sie drücken einem ungefragt Pröbchen in die Hand – Duftwasser, Handcreme, Biokäsecracker. Im Coffeeshop kriegt man zum Kaffee gern noch Kuchen oder Teilchen vorgeschlagen. In der Backerlebniswelt kriegt man beim Kauf von Brezeln oder Teilchen häufig noch ein Getränk vorgeschlagen. Und die Treuerabattstempelkarte – nach zehn Heißgetränken gibt es eins umsonst bzw. nach zehn Einkäufen über 5 Euro gibt’s ein Brot bis 1 kg umsonst. Und natürlich: Wenn man jetzt fünf von diesen Teilchen nimmt, gibt’s das sechste umsonst dazu, oder die andere Sorte ist grad im Angebot, wollen Sie die nicht mal probieren, oder so.

Ist ja alles legitim, aber es nervt. Und es ist sinnlos, für mich jedenfalls – ganz selten stoße ich durch solche Aktionen auf etwas, das ich in dem Moment oder irgendwann später tatsächlich brauchen kann oder das mir überhaupt interessant vorkommt. Mir wäre es am Liebsten, die ließen mich mit ihrem Ramsch und ihren Aktionen völlig in Ruhe. Mein liebstes Einkaufserlebnis sieht so aus, dass ich in den Laden gehe, mein Zeug zusammensuche, etwaige Fragen zum Sortiment beantwortet kriege, am Ende bezahle und gehe. Gern auch mit Schwätzchen an der Kasse, wenn es sich ergibt. Aber ohne diese manische Drückerei bei jeder Gelegenheit.

Die machen sich, glaube ich, auch gar keine Vorstellung von der Außenwirkung ihrer Aktionen. Wenn wir nun schon auf dem Weg aus der Dienstleistungsgesellschaft in die Erlebniswirtschaft sind, wo man nicht mehr vorrangig Rohstoff, Produkte oder Dienstleistungen kauft, sondern erinnerungswürdige Erlebnisse in möglichst kulttauglichen Locations, sollten diese Leute sich vielleicht überlegen, was für Erlebnisse sie ihren Kunden da aufdrücken. Ganz überwiegend keine guten, will mir scheinen. Vielleicht bin ich da besonders empfindlich, weiß ich aber nicht.

Im Einzelhandel ist ein nicht durch nervige Wollen-Sie-nicht-noch-dies-oder-jenes-dazu-Ansprachen verhunztes Einkaufserlebnis mittlerweile kaum noch zu haben, aber ein Ausweichen in den Versandhandel ist ja auch keine Lösung. Da kriegt man dann nämlich massenweise persönlich adressierte Werbepost als schriftliches Äquivalent dieser Masche und hat dann noch ständig mit verpeilten Zustellfirmen und deren überlasteten und unterbezahlten Zustellern zu tun, muss sich mit deren Vorstellungen von Zeitfenstern, Terminabsprachen und Erreichbarkeit herumschlagen, was dann ja oft auch wieder zu ganz besonderen und denkwürdigen Erlebnissen führen kann.

Man entkommt dem nicht, es ist ein Elend…

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

6 Kommentare zu „Erlebnisse“

  1. Wir sind schon zu zweit, die da so empfindlich sind. Mir stößt da aber noch etwas anderes unangenehm auf. Die Erlebnis-Beendet-Floskeln sind in vielen Läden einstudiert. Ich bekomme immer die gleichen Sätze zu hören, die abgespult werden. Und wenn sich manchmal ein minimaler persönlicher Wortwechsel ergibt, wirkt dieser plötzlich ganz seltsam, weil er inhaltlich gedoppelt ist. Man wünscht sich z.B. zweimal einen schönen Tag, einmal mit der trainierten Floskel, das zweite Mal mit dem persönlichen Satz und manchmal bleiben die Worte dann angesichts der blöden Situation im Halse stecken.

    P.S. und es hat was Ironisches, dass mir unter dem Artikel gerade Rewe Breitsamer Honig angeboten wird.

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  2. Oh ja, diese einstudierten Floskelströme sind furchtbar. Das ist in den USA viel üblicher, soweit ich weiß. Habe ich in TGI Friday’s erlebt. Die Leute tun mir immer leid, die sowas abspulen müssen.

    Und was die Werbung hier angeht: Irgendwann ziehe ich sicher mal irgendwohin um, wo keine Werbung läuft. Spätestens wenn mein Speicherplatz hier aufgebraucht ist…

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  3. Ich kann mit „Einkaufserlebnis“ etc. ohnehin nichts anfangen. Ich gehe ja nicht um des Einkaufens willen einkaufen, sondern weil ich Lebensmittel / Klamotten / Rasendünger brauche bzw. haben möchte. Wenn man mich dann gut behandelt, um so besser. Aber die kompetente Beratung und das saubere Kundenklo sind für sich betrachtet noch kein Grund, dort hinzugehen.
    Ich bin mit einem beruflichen Bein in der IT unterwegs. Da wird seit einiger Zeit nicht mehr von „usability“ oder „Ergonomie“ geredet, sondern von „user experience“. Nur dass der Kaiser in vielen Fällen noch immer keine Kleider trägt, sprich: Die Software immer noch genauso sch*** zu benutzen ist.

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  4. Naja, kompetente Beratung und sauberes Klo können durchaus Faktoren für den einen oder gegen den anderen Laden sein. Jedenfalls wenn ich auf der Suche nach was bin. Weniger, wenn ich einfach einen Einkaufszettel mit bekannten Artikeln abarbeite.

    Aber so oder so, ich gehe nicht wegen des Erlebnisses einkaufen, Shopping ist für mich nie Vergnügen sondern (oft lästiges) To-Do. Das mache ich, weil ich die Sachen brauche, nicht weil ich so gern in Läden rumtingele. Und vieles, was zum Einkaufserlebnis hochstilisiert wird, ist mir schlicht zu laut und grell, v.a. in den von ECE betriebenen Einkaufscentern.

    Und das mit der User Experience ist wieder bloß so eine Mode, nicht viel mehr als alter Wein in neuen Schläuchen. Alle rennen rum wie aufgescheute Hühner und sondern buzzwortreiche Textbausteine ab. Dabei ist de Software tatsächlich dieselbe wie immer, aber man hat vielleicht hübsche neue Skins drübergepinselt und ein paar Sachen animiert. Sieht moderner aus, ist aber nicht besser.

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  5. Da bin ich ja froh, dass ich in Berlin lebe. Hier ist es nicht ganz so schlimm.

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In den Wald hineinrufen

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