Bus verpasst

Mit Busfahrern habe ich immer mal zu tun. Gelegentlich schreibe ich auch drüber. Jetzt ist wieder was fällig

Also: Ich bin auf dem Weg zum Bahnhof spät dran (und man sollte sich nicht drauf verlassen, dass der Zug zu spät ist). Ich komme um die Ecke und sehe, wie der Bus an der Haltestelle 100 m weiter hält. An der Haltestelle wartet niemand, aber es steigen ein paar aus. Ich laufe los und erreiche die hintere Tür, als die gerade anfängt zuzugehen. Ich greife in die Lichtschranke, drücke die Tür wieder auf und steige ein. Gehe gleich nach vorn, um meine Fahrkarte zu zeigen.

Busfahrer: Was war denn das eben für eine Aktion?

ich: Na, ich wollte den Bus noch kriegen.

Bf: Einstieg ist vorne, ich hätte Sie schon noch reingelassen.

ich: Das sagen Sie jetzt, habe ich aber auch schon anders erlebt. Kann ich ja vorher nicht wissen.

Bf: Ich weiß nicht, was Sie erlebt haben. Ich mache immer so. Sehe ich, ein Fahrgast will mit, mache ich vorne Tür auf, lasse einsteigen.

ich: Wenn Sie das so machen, finde ich das gut, aber das weiß ich ja vorher nicht. Mir sind Busfahrer in solchen Situationen auch schon vor der Nase weggefahren. Das wollte ich jetzt nicht riskieren.

Bf: Grmpf

ich:

In dem Moment wird die Ampel grün, er fährt los.

Und ich habe tatsächlich Busse in genau solchen Situationen verpasst, auch wenn ich von vorne an den Bus kam, manchmal sogar mit Blickkontakt zum Fahrer. Anderen Leuten habe ich das auch passieren sehen. Meistens übrigens auch ohne dass der Fahrer wegen eines speziellen Abfahrtsignals oder einer gerade grün gewordenen Ampel an einer komplizierten Kreuzung vor der Wahl zwischen sofortiger Abfahrt und mehrminütiger Verzögerung gestanden hätte.

Man kann als Fahrgast einfach nicht wissen, wie Busfahrer sich im konkreten Fall verhalten, und deshalb gehe ich da kein Risiko ein. Wenn die Tür noch offen ist, springe ich lieber hinten rein als zu riskieren, dass der Bus mir vor der Nase wegfährt, am besten noch, während der Fahrer mich teilnahmslos durch die geschlossene Tür anstarrt. Und eine Fahrkarte hatte ich und habe sie ja auch vorgezeigt.

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Mein Fehler hier war, zu glauben, „der Busfahrer“ sei ein einheitliches Geschöpf, das durchgehend zuverlässig nach genau einem bekannten Satz Regeln funktioniert. Ist natürlich nicht so. Nicht einmal die Fahrer derselben Firma schaffen es, durchgängig gleich zu agieren.

Manche lassen sich von jedem Fahrgast die Fahrkarte zeigen, Einstieg strikt vorn, andere machen alles auf und scheren sich nicht um Fahrkarten. Manche lassen nur hinten aussteigen, andere auch vorn. Manche fahren auf die Sekunde pünktlich ab, egal ob da noch Leute offensichtlich zum Bus gelaufen kommen, andere warten auf alles und jeden und sammeln dann Verspätung.

Manche fahren ihren Bus wie eine Sänfte, wo eine Kaffeetasse ohne Kleckern auf dem Armaturenbrett stehen könnte, und sind trotzdem schnell genug. Andere behandeln Gas und Bremse als Kippschalter und orgeln fast auf zwei Rädern um die Kurven, ohne dass sie deshalb schneller am Ziel wären. Man weiß vorher nie, an wen man gerät und wie es wird.

An einem Ende einer früheren Pendelstrecke musste ich auf dem Weg zum Bus eine Seitenstraße überqueren, durch die der Bus kam, ein paar Hundert Meter von der Haltestelle entfernt. Manchmal, wenn ich spät dran war, begegnete ich dem Bus dort. Einmal hat mir der Busfahrer dann beim Einsteigen gesagt, er hätte mich natürlich auch dort an der Ecke reingelassen, hätte ich nur winken müssen. Ich so, ah, klasse, merke ich mir, vielen Dank.

Dann habe ich mal einem Busfahrer an genau der Stelle in genau der Situation gewunken. Der ist durchgefahren und hat mir beim Einsteigen an der Haltestelle dann einen saftigen Anschiss verpasst, was mir denn einfalle, er könne ja nicht auf freiem Feld irgendwelche Leute aufsammeln, habe doch einen Fahrplan zu schaffen und versicherungstechnisch sei das ja gar nicht und überhaupt. Ich so, danke, liebe Busfahrer, könntet Ihr Euch vielleicht absprechen wie Ihr das macht?

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Fahrgäste sind natürlich genauso wenig berechenbar. Der eine springt zügig in den Bus, wenn man ihm die Tür nochmal öffnet, und verursacht keine nennenswerte Verzögerung. Der andere braucht ewig, bis er sich entschlossen hat, dann wirklich einzusteigen, blockiert dann noch lange die Tür, muss dann ein Ticket kaufen, natürlich mit Kleinstgeld, oder was Kompliziertes nach Hinterkleckersdorf und übermorgen zurück, dann aber mit zwei Kindern dabei, von denen eins mit Ermäßigung, das andere hat eine Zeitkarte für eines der beiden berührten Tarifgebiete…

Derweil will ich nur erstens meine Busse nicht verpassen, wenn ich spät dran bin, und zweitens nicht angemault werden.

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

3 Kommentare zu „Bus verpasst“

  1. Schön beschrieben, ich fahre zwar nur selten mal mit den Öffis, aber solche Aktionen habe ich auch schon mehr als nur einmal erlebt. 🙂

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In den Wald hineinrufen

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