Klangwelt

Vor einer Weile habe ich irgendwo ein Feuerzeug gesehen, das nicht mit Gas oder Benzin funktioniert, sondern einen Lichtbogen erzeugt, mit dem man dann Kerzen u.ä. anzünden kann. Fand ich cool, habe ich natürlich sofort gekauft.

Der Akku in dem Stromdings ist umwelttechnisch sicher nicht so toll (obwohl da möglicherweise Abhilfe in Aussicht ist), aber ab einer bestimmten Nutzungsdauer müsste meine Zündkerze besser dastehen als die lange Reihe angeblich wiederaufladbarer Gasfeuerzeuge, die grundsätzlich dann kaputtgehen, wenn man sie gerade aufgefüllt hat.

Egal, jetzt hatte ich dieses coole Space-Age-Dingens und zünde damit zuhause die erste Kerze an. Der Lichtbogen ist nicht lautlos – ich höre ein dezentes, leicht raspeliges Rauschen, ähnlich wie eine Wunderkerze, nur mit technischerer Anmutung. Beide Kinder kommen praktisch unisono mit dem Aufschrei: „Was’n das, mach das aus!!“ Dabei waren sie nicht einmal im Zimmer gewesen.

Ich bin ratlos – wo ist das Problem? Klar, das sind keine himmlischen Violinenklänge. Aber schlimm ist das doch nicht, schon gar nicht in der Lautstärke. Wozu also diese ausgeprägte Abneigung?

Jetzt hat meine Frau die Idee, dass das hörbare Frequensspektrum sich ja mit dem Alter ändert. Ist auch so: Wo man im Teenageralter noch bis fast an die 20 kHz wahrnehmen kann, ist Mitte 30 oft schon bei 15 kHz Schluss, mit 50 brauchen die meisten keine Kopfhörer mit mehr als 13 oder 14 kHz, und später wird es u.U. noch weniger.

Ich habe aus dem Anlass mal zwei Hörtests im Internet ausprobiert, hier und hier, und anders als zu Schulzeiten höre ich anscheinend nur bis ungefähr 12.000 Hz, darüber nicht mehr.

Deshalb könnte es sein, dass das neue Feuerzeug neben dem Rauschen noch ein Piepsen oberhalb von 12.000 Hz abstrahlt, das die Kinder noch hören, ich aber nicht mehr. Das kann dann ja durchaus recht laut sein, wenn ich’s nicht höre, ist die Lautstärke ja wurscht. (Ich hatte mal einen Reisewecker, dessen Beleuchtung von so einem Piepsen begleitet war – nachts mal kurz die Uhrzeit sehen wollen, und drei Sekunden Piepsen mitkriegen, nicht so schön).

Auf Nachfrage bestätigen die Kinder das – die eine hört da ein fieses, tinnitusartiges Piepsen, das sehr durchdringend ist und manchmal eben auch noch im Nebenzimmer hörbar ist. Die andere hört über dem Rauschen ein unangenehm scharfes Geräusch. Beide sind sich einig in der Bewertung, dass das sehr unangenehm ist und ich das Feuerzeug nach Möglichkeit bitte nicht in ihrem Beisein benutzen soll.

Leider habe ich aus dem Stand keine Möglichkeit, das Piepsen zu messen – welcher Nichttoningenieur oder Nichtphysiker hat schon Geräte zuhause, mit denen sich so ein Geräusch aufnehmen und nach Frequenzspektrum analysieren ließe? Ob die Leute, die das Feuerzeug entwickelt haben, das wissen? Oder war das Piepsen schon oberhalb von deren hörbarer Frequenzobergrenze?

Jedenfalls habe ich jetzt zum erstenmal am eigenen Leib erfahren, dass sich die Klangwelt, in der man lebt, mit der Zeit verändert.

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

8 Kommentare zu „Klangwelt“

  1. „Jedenfalls habe ich jetzt zum erstenmal am eigenen Leib erfahren, dass sich die Klangwelt, in der man lebt, mit der Zeit verändert.“ Das lässt mich denken, dass wir naturgemäß von einer eineitlich erlebten physikalischen Realität ausgehen. In Wirklichkeit ist jede/jeder in ihrem/seinem Kosmos allein.

    Gefällt 1 Person

  2. Stimmt. Ich hatte zum Beispiel auch nie das Gefühl, gewachsen zu sein – für mich sah die Welt mit 18 nicht so viel anders aus als mit 12 oder 6. Klar, alle anderen sind kleiner geworden, aber diese Veränderung kam so langsam, dass sie nicht weiter auffiel, und alles andere ist ja gleichgeblieben.

    Dass der hohe, gefährliche Rodelberg aus Vorschultagen mir jetzt knapp über die Schulter reicht und ich ihne kaum wiedergefunden habe, weil ich nach was Hohem gesucht hatte, ist nur eines der Indizien, dass die eigene Sichtweise subjektiv ist, und nicht immer drängt es sich so ins Bewusstsein.

    Gefällt 2 Personen

  3. Das ist eine schöne Geschichte die zeigt, dass das Älterwerden auch Vorteile haben kann. Ich habe vor einigen Jahren ein ähnliches Erlebnis gehabt, in dem ein von mir nicht gehörter hoher Ton durch eine Klimaanlage hervorgerufen wurde.

    Gefällt 2 Personen

  4. Ich vermute du hast sogar mehrere Geräte zu Hause, mit denen du das Frequenzspektrum analysieren kannst. Smartphones haben ein Mikrophon und es gibt Apps die daraus das Spektrum analysieren. Ich würde einfach mal Werbung für Phyphox machen: https://phyphox.org/

    Like

  5. Die Veränderung der räumlichen Wahrnehmung scheint nicht nur von der Körperhöhe, sondern auch vom Körpervolumen abzuhängen: mein Wohnklo (24,6 m²) erschien mir mit 23 und rund 95 kg viel geräumiger als heute mit 50 und 140 kg…

    Hörgrenze: ich habe es gerade eben mal mit mittels Audacity generierten Sinustönen ausprobiert… bis 11500 Hz höre ich noch definitv etwas, bei 12000 Hz bereits merklich leiser und bei 12500 Hz fast gar nichts mehr.

    Like

  6. Was die Sehschärfe angeht: 6- oder 7-jährige Kinder sind durchaus in der Lage, die vier großen Jupitermonde mit bloßem Auge zu sehen, insbesondere, wenn Jupiter selbst gerade eben durch z. B. einen Dachfirst verdeckt wird und die Monde nicht überstrahlt…

    Like

  7. @ Ronny: Habe das jetzt mal ausprobiert, und ja, das Feuerzeug fiepst deutlich bei ungefähr 15.500 Hz. Tolle App übrigens, vielen Dank nochmal für den Tipp!

    Like

In den Wald hineinrufen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..