Zusammenhänge

Neulich ist mir in der Straßenbahn ein Hinweis aufgefallen:

Gut festhalten – Gut ankommen!

Bahnen haben einen doppelt so langen Bremsweg wie Autos.
Bitte halten Sie sich gut fest und achten Sie auf Ihre Mitfahrer.

Es folgen noch ein paar Zeilen Text: Wir befördern mit Bussen und Bahnen täglich viele Leute sicher ans Ziel. Busse und Bahnen sind aber normale Verkehrsteilnehmer und müssen manchmal scharf bremsen. Damit dabei nichts passiert, sollten die Fahrgäste sich gut festhalten. Schönen Gruß, Ihre Verkehrsbetriebe.

Gut, da ist der Bremsweg von Straßenbahnen also doppelt so lang wie der von Autos. Aber inwiefern taugt das als Begründung, sich gut festzuhalten? Je länger der Bremsweg, desto weniger dringend ist das mit dem Festhalten doch.

Klar, wenn so eine Straßenbahn bei Tempo 60 voll in die Eisen geht, ist das kein Spaß, und nicht jeder schafft es dann, sich tatsächlich festzuhalten, zumal ab einer bestimmten Menge Leute auf den Stehplätzen die Festhaltegelegenheiten knapp werden und bei einer Notbremsung dann sowieso die ganze Menschenmenge in Fahrtrichtung flutet; weh denen, die vorne stehen. Also, Festhalten ist grundsätzlich eine gute Idee in der Straßenbahn, und wenn’s nicht immer reicht, ist es doch jedenfalls besser als nichts.

(Übrigens, immer und immer wieder wird kleinen Kindern in der Straßenbahn gesagt, sie sollen sich hinsetzen. Richtig auf den Po, und nicht auf den Sitzen herumturnen. Als Begründung wird oft behauptet, dann sei man sicherer, wenn die Bahn mal plötzlich stark bremsen muss. Das ist aber weitgehend Unsinn.

Wer gegen Fahrtrichtung sitzt, fällt bei Vollbremsungen so oder so nicht vom Sitz, aber als herumkletterndes Kleinkind könnte man über die Rückenlehne fliegen. Da ist Richtigsitzen sinnvoll. Wer in Fahrtrichtung oder quer zur Fahrtrichtung sitzt, hat verloren. Ich habe Vollbremsungen erlebt, wo es tatsächlich Leute von ihren Sitzen gezogen hat. Da kugeln dann schonmal welche den Gang entlang. Die Sitze haben ja keinerlei Rückhaltevorrichtungen, da wirkt nur die Haftreibung des Hosenbodens auf dem Polster, und die ist überschaubar. Erst recht, wenn die Vollbremsung nicht ihr natürliches Ende findet sondern mit einem Aufprall endet, was ja durchaus gelegentlich vorkommt.

Was Richtigsitzen gerade für kleine Kinder tatsächlich bringt ist, dass sie nicht bei jedem Schlenker der Bahn nach links und rechts geschleudert werden und sich ständig wehtun. Hat aber mit Vollbremsungen nichts zu tun.)

Ok, Festhalten ist damit abgehandelt. Aber warum soll man auf die Mitfahrenden achten, wie soll das aussehen und was soll das bringen? Im Fall einer Vollbremsung bin ich sicher selbst mit Festhalten oder Durch-den-Wagen-Geschleudertwerden beschäftigt, da kann ich kaum auf andere achten, und etwaiges Draufachten von mir bringt denen in dem Moment auch nichts.

Oder soll ich immer auf die achten und sie gegebenenfalls zum Festhalten auffordern? Das wäre dann fast so eine Mischung aus gemeinwohlorientiertem Augenoffenhalten und Blockwartpflicht für alle.

Oder das ist eine Warnung vor den Mitfahrenden, man weiß ja nie, was die im Schilde führen…

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

3 Kommentare zu „Zusammenhänge“

  1. Vielleicht sind die direkten Mitfahrer gemeint, die zu dir gehören?
    Oder auf alle achten – ohne sie aufzufordern -, damit du einschätzen kannst, wie sie bei einer Vollbremsung durch die Gegend und am besten nicht auf dich purzeln…

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  2. Oder man soll nach der Vollbremsung mithelfen, die Leute aufzusammeln, wer weiß? Vielleicht sollte ich dort mal nachfragen…

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  3. Das ist halt Däutschland – wo Drogen ja schließlich auch illegal sein müssen, weil sie verboten sind (Frau Mortler von der CSU)… und draußen nur Kännchen! Radfahrer absteigen! Aber immer mit Helm…

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In den Wald hineinrufen

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