Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein

Es muss eine Regel geben, dass jeder Politiker diesen Satz einmal in seiner Karriere öffentlich äußern muss. Oder dass kein Monat vergehen darf, in dem dieser Satz nicht öffentlich geäußert wird. Wie auch immer, das ganze ist offenbar so wichtig, dass dieser Satz seit Jahren gebetsmühlenartig wiederholt wird. Das ist überflüssig und albern, weil das Internet bei näherem Hinsehen nun wirklich kein rechtsfreier Raum ist (ein blogrelevantes Beispiel ist das sogenannte Niggemeier-Urteil). Man könnte sinnvollerweise fordern, die Rechtssicherheit im Internet durch nachvollziehbare, weltweit gültige Regeln zu erhöhen, oder Rechtsbrüche im Internet effektiver zu verfolgen, zum Beispiel durch verbesserte internationale Zusammenarbeit. Aber das ist nicht so ohne weiteres erreichbar, weil immer ein paar Länder nicht mitmachen. Und es lässt sich nicht so schön griffig in eine Phrase pressen. Also wird weiter gedroschen. Das Publikum ist geduldig.

Weil das anscheinend ziemlich vielen Leuten eher lächerlich vorkommt, hat sich der schöne Brauch etabliert, den Spruch zu veralbern. Das kann ich auch, habe ich mir gedacht, da spiele ich auch mal mit. (Auch wenn ich mich jetzt nicht grad als Vertreter der Netz-, Blogosphere- und Aktivismusavantgarden oute – ich habe in diesem SPON-Artikel von Konrad Lischka zum erstenmal davon gelesen.)

Die allernächstliegenden Paraphrasen gibt es natürlich schon: Das Internet darf kein linksfreier Raum sein und Das Internet darf kein linkfreier Raum sein. Meine nächsten paar Einfälle waren auch schon anderen gekommen:

Das Telefonnetz darf kein sprechfreier Raum sein hat @noidea_hh schon so ähnlich getwittert, mit Telefonzelle statt -netz. Telefonnetz ist aber näher am zu veralbernden Text, daher hat meine Version den höheren Veralberungsfaktor.
Das Fitnessstudio darf kein ächzfreier Raum sein hat @abspann praktisch wortgleich getwittert.
Der Krähenschwarm darf kein krächzfreier Raum sein – Mithos auf soup hat bei krächzfrei eher an HNO-Wartezimmer gedacht. @surfguard auch.

Aber ein bisschen was Neues ist mir dann doch noch eingefallen. Jedenfalls gibt Google derzeit keine Treffer:

Das Alphabet darf kein s-freier Raum sein.
Das Restaurant darf kein essfreier Raum sein.
Die Kirche darf kein messfreier Raum sein.

In diesem Sinne verabschiede ich mich in ein weitgehend internetfreies Wochenende.

Autor: gnaddrig

Querbeet und ohne Gewähr

In den Wald hineinrufen

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